Wieder die Feigenblatt-Strategie

Unter Monsignore Lange sank das Niveau der Zeitschrift Theologisches innerhalb kürzester Zeit auf einen jämmerlichen intellektuellen Pegel, der selbst bei progressiv denkenden Theologen Mitleid auslöste. Über viele Spalten hinweg wurden gehässige und meist völlig abstrus argumentierende Leserbriefe publiziert. In Ermangelung ernstzunehmender Beiträge druckte Lange eigene Texte, die bereits vor Jahrzehnten zum ersten Mal erschienen waren, oder Neueres, was er als Leserbrief oder Kommentar in anderen extrem konservativen Blättern gefunden hatte. »Da steht nur noch Schmarrn drin«, brachte es mir gegenüber einmal ein hoher Augsburger Würdenträger auf den Punkt.

Nach einigen Jahren musste sich dies auch die Fördergemeinschaft eingestehen, und sie beschloss daraufhin, Lange irgendwie loszuwerden. Natürlich wollte man als Nachfolger unbedingt jemanden haben, der aus dem »Netzwerk« stammte, er sollte aber zugleich menschlich leichter handhabbar sein als der eigensinnige, über siebzig Jahre alte Monsignore.

So folgten im Jahr 2003 mehrere ausführliche Gespräche Kardinal Scheffczyks und des Philosophen Walter Hoeres mit mir. Sie drängten mich geradezu, als Langes Nachfolger bereitzustehen. Beiden hatte ich beruflich viel zu verdanken. Die Autorität des Kardinals sowie das energische Auftreten von Hoeres brachten mich schließlich dazu, mir die Sache zu überlegen und schon halb zuzusagen.

Nun hatte der genannte Priester den Auftrag, meine endgültige Zustimmung persönlich einzuholen. Bewusst hatte ich für unser Treffen keinen neutralen Ort vorgeschlagen, sondern ihn in meine Kölner Wohnung eingeladen, in der ich mit meinem Partner zusammenlebte. Nicht nur anhand des Klingelschildes war offensichtlich, dass hier keine traditionelle katholische Familie, bestehend aus Mann, Frau und acht zum Erhalt der katholischen Kirche gezeugten Kindern wohnte, sondern zwei männliche Personen, die sich auch ein Schlafzimmer teilten. Indem ich diesen privaten Rahmen wählte, wollte ich späteren Querelen oder Schnüffeleien der Fördergemeinschaft in meinem Privatleben Vorbeugen. Später kam sogar mein Freund von der Arbeit zurück und erkundigte sich kurz, wann es Abendessen gebe. Aber all dies konnte meinen Besucher nicht erschüttern.

Es hatte sich wohl schon bis zu dem Pastor herumgesprochen, dass ich stets in Begleitung meines »Cousins« auftrat, und so bediente auch er sich des bewährten Feigenblattes. Dieses Feigenblatt war sogar so überzeugend, dass die Fördergemeinschaft später kein Problem damit hatte, in Ermangelung eines anderen geeigneten Mitarbeiters, meinen Freund mit der bezahlten Erstellung und Betreuung der Internetpräsenz sowie der Jahresregister der Zeitschrift zu betrauen.

Ich war überzeugt, dass damit ein Modus vivendi gefunden war, auf dessen Basis eine respektvolle und fruchtbare Zusammenarbeit möglich wäre. Schließlich waren mir, wie bereits erwähnt, mehrere Fälle bekannt, in denen man sich im katholischen Milieu bereitwillig solcher Feigenblätter bediente, um den heiligen Schein nicht anzutasten. Dass ein derartiges Versteckspiel den vermeintlich Getäuschten später als Mittel subtilen Zwangs dienen kann, war mir damals noch nicht bewusst.

Die Freundlichkeit des Pastors verstärkte sich noch, als er bemerkte, dass ich noch nicht ganz überzeugt war, die Herausgeberschaft wirklich zu übernehmen. Die Arbeitsbedingungen, die er mir skizzierte, klangen verlockend: Es sei Geld in Hülle und Fülle vorhanden, man habe im vorletzten Jahr einige größere Erbschaften gemacht, ja, man wisse gar nicht, wohin mit dem Geld, und fürchte jedes Jahr neu um den Status der Gemeinnützigkeit des Trägervereins, der eine ausgeglichene Bilanz von Ausgaben und Einnahmen erfordere. Ein Zustand, an dem sich im Übrigen bis heute nichts geändert hat. Die Erbschaften verstorbener Mitglieder des konservativen Milieus stellen - neben den Zuwendungen einiger Großfinanziers, die dafür auch die Richtung mitbestimmen - eine wichtige Quelle für die Finanzierung öffentlichkeitswirksamer Projekte wie Tagungen, Zeitschriften, Internetaktionen oder Annoncen in großen Tageszeitungen dar.

Ich bekäme also die Möglichkeit, größere und finanziell anspruchsvollere Projekte zu verwirklichen. Auch inhaltlich wurde mir freie Hand zugesagt; Aufgabe der Fördergemeinschaft sei es nur, die Gelder zu verwalten und dem Herausgeber beratend zur Seite zu stehen.

Der Gedanke, Theologisches wieder seinen alten Glanz zurückzugeben und ein - für den deutschen Sprachraum einmaliges - konservatives theologisches Organ mit Niveau herauszugeben, war es schließlich, der mich zu meiner Zustimmung veranlasste.

Der heilige Schein
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